Leichte Schluckbeschwerden

Es ist mutig, in der heutigen Medienlandschaft einen neuen Printtitel auf den Markt zu bringen. Am Trommelwirbel hat es jedenfalls nicht gefehlt, als „Schluck – das anstößige Weinmagazin“ offiziell aus der Taufe gehoben wurde. 800 Leute sollen sich dem Vernehmen nach zur Release-Party in der Berliner Cordobar angemeldet haben (nur rund 100 durften kommen), und Vorschusslorbeeren gab es reichlich. Selbst die dumpfbackige Westberliner Frontstadtpostille „BZ“ beteiligte sich an dem Bohai. Die Berufung des krawallaffinen Wein-Haudegens Manfred Klimek zum Chefredakteur verspricht zudem ein gewisses Maß an Spaß und Niveau.

Das Heft fühlt sich papiertechnisch richtig gut an und bietet schon beim ersten Blättern jede Menge Eye-Catcher. Optischer Höhepunkt für mich die Etikettensammlung, die über viele Jahre in der “Charlie Hebdo”-Redaktion für deren “Hauswinzer” entstand. Auch sonst haben Fotoprofi Klimek und einige andere hier richtig tolle Arbeit geleistet.

Deutlich geteilter entwickelt sich das Lesevergnügen. Einer herzzerreißenden, gut geschriebenen Geschichte über einen französischen Winzer, der durch die Solidarität seiner Kollegen nach einem vernichtenden Hagelschlag vor dem Ruin gerettet wurde, folgt ein ziemlich schmieriges PR-Interview mit einem österreichischen Winzer (der zu den Kunden der hinter dem Magazin stehenden PR-Agentur gehört). Ein vom Ösi-Wein-Original Helmut O. Knall verfasstes, sehr schönes Regionenportrait (Rheingau) gehört ebenso zum Programm wie pubertäres Gerotze gegen “Steakfresser” oder sexuell konnotierter Wein-Schnickschnack. Doch vermutlich gehört letzteres bei einer Klientel, wo der Besitz einer Flasche Pétrus (oder neuerdings auch einer 2003er Scharzhofberger TBA) die Penisverlängerung ersetzt, wohl zum angemessenen Ton.

Das omnipräsente Szene- Gedöns rund um einige übliche Verdächtige und die entsprechenden Locations und ein paar nur mäßig originell verfasste Gedanken über Weintrinken, saufen und Rausch wirken auch eher altbacken und selbstreferenziell statt “anstößig” im Sinne von Denkanstöße gebend. Auf der Habenseite dagegen eine zwar recht trockene, aber fundierte Abhandlung über Terroir und Champagner und die Story über eine japanische Winzerin, die sich in Deutschland und Frankreich durchgekämpft hat und immer noch durchkämpft.

Gegen das hier gepflegte “Anything goes”-Konzept für einen neuen Magazinhecht im trüben Food- und Lifestyle-Karpfenteich ist im Prinzip nichts einzuwenden. Von einem Chefredakteur Klimek hätte ich allerdings ein bisschen mehr Peitsche bei der Durchsetzung sprachlicher (und manchmal auch intellektueller) Finesse erwartet. Dennoch liest und blättert sich der Erstling ganz locker weg. Und manchmal ist der zweite Schluck (der in diesem Fall im nächsten Frühjahr ansteht) ja auch wesentlich eindrucksvoller als der erste.

 

 

Alles läuft schief

Was für ein Wochenende – ein Knaller nach dem anderem. Damit meine ich nicht die Wahl in Griechenland, bei der sich Schäuble ohne Krawatte gegen Schäuble mit Krawatte recht deutlich behauptete und die linken Kritiker von dem ohne Krawatte ein Desaster erlebten. Dabei zeigt das Wahlergebnis, dass immerhin rund 16 Prozent der Wähler (also acht Prozent der Wahlberechtigten) einem Grexit nicht prinzipiell abgeneigt sind, doch dummerweise wählten diese mehrheitlich Faschisten oder Museumskommunisten. Der ohne Krawatte darf jetzt das Sparmassaker exekutieren, die Flughäfen verkaufen und die restlichen Punkte des EU-Diktats abarbeiten. Die Führung unserer LINKEN findet das gut, was nicht verwundert, da sie bereits auf Landesebene bewiesen hat, dass sie in Regierungs(mit)verantwortung ähnlich agiert, wenn es „Sachzwänge“ gibt.

Knallig dagegen der dummdreiste Betrug des VW-Konzerns, der die Abgasuntersuchungen seiner Diesel-PKW in den USA manipulierte. Das wird richtig teuer. Umweltverbände weisen in Deutschland seit Jahren darauf hin, dass die offiziellen Abgaswerte gefaked sind. Das hat die Politik allerdings nie interessiert, sie läuft eh am Gängelband der Autokonzerne. Aber die Deppen in Wolfsburg hatten wohl vergessen, dass die US-Behörden in derartigen Fragen wesentlich humorloser sind.

Teuer wird auch der Berliner Flughafen. Nach der Insolvenz der Baufirma Imtech vor ein paar Wochen hat sich nunmehr herausgestellt, dass die Statik der Haupthalle möglicherweise nicht stimmt, weil viel zu schwere Ventilatoren eingebaut wurden. Also wieder mal Baustopp. Ich fühle mich eigentlich noch ganz fit, hab aber immer mehr Zweifel, dass ich in diesem Leben noch einmal vom BER abheben werde.

Zu Flüchtlingen fällt mir nichts mehr ein. Es ist vor Ort zu deprimierend und politisch zu absurd.Und mein Eindruck ist, dass viele Helfer (deren Engagement jeglichen Respekt verdient) sich mittlerweile ganz gerne von verbalen Glasperlen und mediaslem Schulterklopfen einlullen lassen, statt endlich unüberhörbar auf den Tisch zu hauen.

Doch es gibt auch noch „gute Nachrichten“. In Trier erzielten 22 Flaschen eines 2003er Saar-Weins bei einer Auktion den Rekordpreis von knapp 15.000 Euro brutto – pro Flasche versteht sich. Und die Wein-Community jubelt, dass dies der große globale Durchbruch für den deutschen Wein sei. Aua!

Apropos Wein: Dank des großartigen Services von DPD kann man den (Irr)weg seiner Bestellungen minutiös im Internet verfolgen. Daher weiß ich auch, dass meine Kiste von Schloss Thorn seit Donnerstag (sic!) im Paketverteilzentrum in Berlin-Hohenschönhausen liegt. Das nenne ich Fortschritt. Und es erhöht die Vorfreude auf die Sauvignon Gris-Auslese. Man muss ja auch mal was positiv sehen. Obwohl das schwerfällt, wenn es jetzt selbst beim letzten Hort der politischen Vernunft und der Genusskultur, also bei der PARTEI, Menschen gibt, die öffentlich Tomaten- und Bananensaft trinken. Aber ansonsten gehts mir gut…..

Ablasshandel bei den Seeheimern

Wenn die selbst ernannte Prätorieranergarde der SPD zu ihrem Sommerfest einlädt, ist die Promidichte garantiert. Und so waren am Donnerstag neben vielen Bundestagsabgeordneten und wichtigen Funktionsträger auch Vizekanzler Sigmar Gabriel und Fraktionschef Thomas Oppermann unter den 900 Gästen im normal Sterblichen nicht zugänglichen Garten der Parlamentarischen Gesellschaft am Reichstag.

„Seeheimer Kreis“ nennt sich dieses einflussreiche sozialdemokratische Netzwerk. Die Seeheimer (früher auch “Kanalarbeiter” genannt) standen und stehen für so ziemlich alles, was an der SPD besonders eklig ist: Agenda 2010, Hartz-IV, Atomkraft, Verschärfung des Asylrechts, Auslandseinsätze der Bundeswehr, Rente mit 67 usw. Doch man hat auch in diesen Kreisen ein gewisses Gefühl für Stimmungen, und so wurde die bundesweit bekannte Flüchtlingshilfe-Initiative „Moabit hilft“ eingeladen, auf dem Fest an einem Stand Spenden zu sammeln. Ohnehin passen Charity und Ehrenamt sehr gut zu einer politischen Strömung, die sich den teilweisen Rückzug des Staates aus möglichst vielen Bereichen der sozialen Daseinsvorsorge auf die Fahnen geschrieben hat.

Wenn es die SPD-Rechte so richtig krachen lässt, fallen mitunter sogar ein paar Almosen für die Flüchtlingshilfe ab

Es war zunächst ein recht zähes Unterfangen, obwohl Seeheimer-Vormann Johannes Kahrs in seiner Begrüßung ausdrücklich zu Spenden für „Moabit hilft“ aufgerufen hatte. Das ansehnliche Catering und die opulente Versorgung mit alkoholischen Getränken absorbierten die Aufmerksamkeit der Gäste fast komplett. Obwohl hier die Gehaltsklasse 4000+ (netto) überdurchschnittlich vertreten war, tröpfelten in den ersten vier Stunden nur schlappe 350 Euro in die Box. Immerhin: Eine leitende Mitarbeiterin im Bundesumweltministerium versprach, in den kommenden Tagen eine „Kiste voller Geld“ zu überreichen, welches von Mitarbeitern gesammelt worden sei.

Für die beiden Sammler der Initiative bedeutete das viel Muße und Zeit für gastronomische Betrachtungen. Pluspunkte gab es für die deftige Abteilung (Rippchen mit Kraut etc) und den großartigen Pflaumenkuchen. Sterbenslangweilig dagegen die Garnelenspieße, unambitioniert mariniert, schlapp gegrillt. Interessant allerdings die Erkenntnis, dass sich auch in SPD-Kreisen mittlerweile eine gewisse Weinkultur etabliert hat. Es gab einen wunderbar stahlig-mineralischen 2014er Brauneberger Riesling von Fritz Haag (Mosel) und einen klassischen, fruchtbetonten Spätburgunder mit feinen Kirsch- und Beerennoten ohne aufdringlichen Holzgeschmack vom Deutzerhof an der Ahr.

Nichts gegen Rippchen, Pflaumenkuchen und guten Wein, doch eigentlich wollte „Moabit hilft“ bei der Seeheimer-Sause möglichst viel Kohle einsammeln, um Flüchtlingen vor allem in der vollkommen überlasteten Erstaufnahmestelle in Berlin Moabit weiterhin Fahrtkosten, Medikamente und andere Dinge bezahlen zu können. Schließlich erbarmte sich mit Helge David Gilberg eine gut vernetzte Lichtgestalt der Karnevals- und SPD-Schwulenszene des spärlich gefüllten Spendentopfes und startete zusammen mit einem der Moabiter Sammler die „Aktion mobiler Ablasshandel“. Wenn Menschen, die politisch eher für Sozialabbau stehen, eine fünfstellige Summe locker vertrinken und verspeisen, sollte doch wenigstens eine vierstellige Summe für die Flüchtlingshilfe drin sein. Erbarmungslos wurden die fröhlichen Gesprächsrunden auf dem Areal abgeklappert und von dem Jecken-Profi freundlich, aber bestimmt zum Spenden aufgefordert. Nur wenige trauten sich zu verweigern, auffällig oft hörte man allerdings, dass die Geldbörse leider an der Garderobe sei.

Doch immerhin: Nach dem Rundgang befanden sich satte 1168 Euro in der Spendenbox. Und dafür können zwei Sammler einer ehrenamtlichen Initiative schon mal ein paar Stunden bei den Seeheimern verbringen. Zumal der Wein wirklich hervorragend war.

 

 

Moabiter Parallelwelten

Eigentlich kann ich die Reportagefloskel von den „großen sozialen Gegensätzen auf engstem Raum“ nicht mehr hören. Doch zu meinem Heimatbezirk Berlin-Moabit fällt mit derzeit auch nichts Besseres ein.

Nehmen wir den gestrigen Montag. Mit einer Einladung des Verbandes Deutscher Prädikatsweinwinzer (VDP) in der Tasche machte ich mich mittags auf zu den „Bolle-Festsälen“, einer angesagten Event-Location in den Räumen einer alten Berliner Meierei am Spreebogen. Die „GroßeLage-Tour“ stand an, eine Präsentation des aktuellen Weißweinjahrgangs (und einiger anderer Weine) von 117 deutschen Spitzenwinzern. Für mich führte der kurze Weg dorthin durch den Kleinen Tiergarten. Die dort seit Jahrzehnten ansässige Trinkerszene hat inzwischen ein eigenes Areal am Rand des Parks. Neu sind die vielen Flüchtlinge, manchmal ganze Familien, die in dem Park mit ihren paar Habseligkeiten teilweise auch nachts die Zeit verbringen, bis sie endlich im nahe gelegenen Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) registriert und in eine Unterkunft eingewiesen werden.

Die wenigsten Besucher der nur einen Steinwurf entfernten „GroßeLage-Tour“ werden davon etwas wissen oder gar mitbekommen haben. Für die Sommeliers, Gastronomen, Händler und Weinschreiber ging es um probieren und Kontakte pflegen. Hier sind hauptsächlich diejenigen, die sich professionell mit Weinen beschäftigen, die gerne 30-60 Euro pro Flasche (oder außerhalb Deutschlands auch mehr) kosten dürfen. Das ist auch vollkommen in Ordnung. Keinem Flüchtling und keinem Hartz-IV-Empfänger ginge es besser, wenn es derartige Veranstaltungen und Locations nicht gäbe. Dennoch macht der gerne zur Denunziation von Migranten eingesetzte Begriff „Parallelwelten“ hier besonders viel Sinn.

Moabit1: Guter Wein und entspannte Gespräche bei der Präsentation des VDP.

 

Natürlich habe auch ich mit Interesse und teilweise Begeisterung probiert und mich mit einigen Winzern unterhalten. Zwar wirken viele 2014er noch recht verschlossen, doch man kann bereits erahnen, dass dies in einigen Regionen ein großer Riesling-, Silvaner- und auch Weißburgunderjahrgang war bzw. werden wird.

Fünf Minuten sind es von den Bolle-Festsälen bis zum LaGeSo, wo an manchen Tagen über 1000 Flüchtlinge neu ankommen und sich mit jenen mischen, die schon seit Tagen auf ihre Registrierung warten. Seit Wochen bemüht sich sich die Initiative „Moabit hilft um all jene Belange, bei denen die Behörden komplett versagt haben. 70-100 ehrenamtliche Helfer sind stets vor Ort, mittlerweile hat man Räumlichkeiten für die Annahme und Verteilung von Spenden und die Organisation der Hilfe auf dem Gelände bekommen. Es herrscht kreatives Chaos, aber irgendwie funktioniert es. Stets sind kleine Trupps unterwegs und bieten den oftmals vollkommen erschöpften Wartenden kalte Getränke, Obst und Snacks an. Wenigstens für warme Mahlzeiten hat der Senat mittlerweile gesorgt und einen professionellen Caterer beauftragt.

Die Spendenbereitschaft ist enorm. Die klassischen Sachspenden (Kleidung, Spielzeug etc.) können gar nicht mehr entgegengenommen werden, auch Lagermöglichkeiten für Lebensmittel und Hygieneartikel quellen über. Die Initiative versucht via Internet, zielgerichtet um Spenden zu bitten. Derzeit werden beispielsweise gebrauchte Handys und Laptops, aber auch Regenkleidung benötigt. Oder alle Arten von BVG-Fahrkarten. Denn was soll eine Familie machen, die vollkommen mittellos in eine Notunterkunft am anderen Ende der Stadt geschickt wurde, aber die notwendigen Behördengänge in der City erledigen muss. Auch Übersetzer werden gesucht, vor allem für Arabisch, Kurdisch und noch weniger geläufige Sprachen

Moabit2: Flüchtlinge warten manchmal tagelang auf Registrierung und Zuweisung einer Unterkunft

 

Natürlich nimmt man auch gerne Geldspenden, mit der notwendige Dinge von den Helfern direkt besorgt und organisiert werden können. Und auch die kommen seit Tagen ziemlich reichlich. „Moabit hilft“ ist mittlerweile bundesweit bekannt und schon so etwas wie ein Synonym für die viel beschworene „Willkommenskultur“. Längst klopfen auch Firmen an, die ihre Spenden pr-mäßig ausschlachten wollen. Wenn die Summe stimmt, lässt man sich auch gerne darauf ein. Nur vor den Karren von irgendwelchen Verbänden, Parteien und einzelnen Politikern will man sich keinesfalls spannen lassen, obwohl die mittlerweile ebenso Schlange stehen, wie Journalisten und TV-Teams.

Jeder weiß hier, dass diese intensive Form der ehrenamtlichen Arbeit nicht auf Dauer durchzuhalten ist. Entsprechend deutlich sind die Forderungen anden Senat und die Bundespolitik, endlich die notwendigen Ressourcen für eine angemessene Betreuung der Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen. Doch diese Mühlen mahlen langsam, manchmal seeeehr langsam. So hat es das LaGeSo trotz des unngebrochenen Zustroms nicht geschafft, einen Rund-um-die-Uhr-Betrieb für die Erstregistrierung auf die Beine zu stellen. Auch deswegen campieren viele Flüchtlinge in den Moabiter Parkanlagen.

Nach dem Besuch bei “Moabit hilft” im LaGeSo war mir irgendwie die Lust vergangen, nochmal bei der „GroßeGewächse-Tour“ vorbei zu schauen. Guten Wein habe ich schließlich auch zu Hause, und den brauchte ich am Abend dieses Tages.

 


 


Wein zum reinlegen und Moabiter Sturmangriff

An der Nordsee habe ich mich eine Woche lang hauptsächlich von gebratenem Seefisch und Krabben ernährt und dazu in der Regel gutes herbes friesisches Bier getrunken, also kein Jever. Gut so. Aber jetzt bin ich wieder in Berlin-Moabit und mir steht der Sinn nach Kochen und Wein. Auch gut so.

Ich bin ein Curry-Freak. Was ich in Südostasien erlebt und später am heimischern Herd umgesetzt habe, hat für eine starke kulinarische Prägung gesorgt. Einmal in der Woche sollte es schon ein Curry sein: mal grün, mal gelb, mal rot, mal mild, mal scharf.

Keine Angst, ich nerve jetzt nicht mit langatmigen Rezepten, wozu gibt es gefühlte 1000 Foodblogs. Dort steht allerdings auch viel Unsinn mit entsprechend zweifelhaft schmeckenden Resultaten. Daher empfehle ich zwei archaische Kulturtechniken: 1.) Ein gutes, schnickschnackfreies Kochbuch, in diesem Fall das „Handbuch Asiatisch“ , das beim Teubner-Verlag für schlappe 12,95 Euro verramscht wird. 2.) Probieren und variieren.

Kommen wir zum passenden Wein. Und da kann ich dann ausnahmsweise sagen: Ich bin bin zwar nicht stolz, ein Deutscher zu sein, aber froh, hier zu leben. Denn in keinem anderen Land der Welt wird die Weinart, die der natürliche Verbündete aller Arten von Currys ist, auch nur annähernd so hingebungsvoll gepflegt, wie in Deutschland. Die Rede ist natürlich von feinherben Weißweinen mit knackiger Säure, intensiver Frucht und mäßigem Alkoholgehalt, in erster Linie Riesling.

Mosel, einfach nur Mosel

In einige dieser Weine würde ich mich am liebsten reinlegen. Z.B. in den Josephshöfer Kabinett feinherb 2013 vom Weingut Reichsgraf von Kesselstatt. Großes, spontan vergorenes Mosel-Kino mit deutlichen Schiefernoten. Am Gaumen dann der ganz große Obstkorb: Pfirsich, Mirabelle und (der Kick!) Mandarine. Insgesamt fast schon altmodisch elegant.

Ich hab mich aber dann doch nicht reingelegt, sondern den Wein zu einem Curry getrunken. Was da bei der Kombination vor allem mit Zitronengras und Koriander passiert, lässt sich kaum beschreiben. Es ist schlicht perfekt. Der Wein ist bei diversen Onlineshops für +/- 12,50 Euro erhältlich und jeden Cent wert.

Und wer es unpassend findet, dass ein linker Journalist angesichts von Flüchtlingselend und marodierendem Nazigesockse über kulinarische Genüsse schreibt, der kann mich mal.

Und jetzt noch – Premiere auf meinem Blog – ein Leckerbissen für die durchschnittlichen Schachspieler unter meinen Lesern. Die folgende, neulich von mir gespielte Fernschachpartie wird wohl als „Moabiter Sturmangriff“ in die Schachgeschichte einzugehen.

1. b2-b4          d7-d5

2. Lb2               Lf5

3. e2-e3            e7-e6

(Bislang eine ruhige, geschlossene Variante der Sokolski-Eröffnung, auch „Orang-Utan“ genannt. Aber jetzt verlasse ich die Theorie….)

4. g2-g4 (!)        Lg6

5. h2-h4 (!!)       h7-h6

(Es wird eng für den schwarzen Läufer, allerdings habe ich meinen Königsflügel arg entblößt)

6. a2-a3           Sf6

7. Sh3               Ld6

8. Sf4                Lxf4

9. e3xf4 ……….

(Damit handele ich mir zwar einen doofen Doppelbauern ein, doch mein Vormarsch auf dem Königsflügel bekommt so langsam richtig Power)

…………………… Sbd7

10. h4-h5 (!)      Lh7

11. g4-g5          hxg5

12. fxg5            Se4

13. h5-h6          Dxg5 (?)

(gxh6 wäre wohl stärker gewesen. Für mich gibt es jetzt kein Zurück mehr)

14. hxg7          Tg8

15. Txh7           Df5

(Das war’s dann wohl. Sein Turm ist gefesselt und ich habe zudem Materialvorteil

16. Th2            Df4

17. Dh5            Sdf6

(alles leere Drohungen)

18. Dh6            aufgegeben

Durchgepustet

Das haben wir gebraucht. Eine kleine Ferienwohnung unterm Dach mit Blick auf die Nordsee, heftig durchpustern lassen auf dem Deich und im Wattenmeer, kilometerweit nur blökende Schafe, das beeindruckende Wechselspiel der Gezeiten, bizarre Wolkenformationen und spektakuläre Sonnenuntergänge. Dazu frische Krabben am Hafen und abends frischer Fisch oder Salzwiesenlamm im erstaunlich guten Restaurant „Zur Nordsee“direkt am Deich in Norderhafen.

Im Watt gibt es kein schlechtes Wetter, nur unpassende Kleidung

Nordstrand ist eine ruhige, dünn besiedelte Halbinsel nahe Husum ohne nervigen touristischen Schnickschnack, obwohl ein Großteil der Bewohner von den Feriengästen lebt. Leben muss, sollte man sagen, denn der Fischfang spielt hier kaum noch eine Rolle, wenn man mal von dem einzigen hauptberuflichen Krabbenfischer absieht. Doch mit den schwimmenden Fischfabriken und Riesentrawlern können die Küstefischer schon lange nicht mehr konkurrieren. In vielen Restaurants werden Schollen, Seelachs, Seezungen, Rotbarsch, Makrelen etc. angeboten, doch sie kommen aus Dänemark oder vom Kieler Fischgroßmarkt – was der Frische und Qualität aber keineswegs abträglich ist. Auch ohne kommerzielle Küstenfischerei bleiben Nordstrand und die vorgelagerten Inseln und Halligen Fischparadiese.

Den alltäglichen Wahnsinn kann man hier trotz TV und Internetanschluss für ein paar Tage ein bisschen beiseite drängen . Randalierender Abschaum in Heidenau, Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, 71 erstickte Flüchtlinge in einem LKW in Österreich und das zynische Politikergebrabbel dazu wirken wie Nachrichten aus einer anderen Welt. Auf Nordstrand gibt es keine Flüchtlingsunterkünfte, und ich möchte lieber gar nicht so genau wissen, wie so manch Inselbewohner auf entsprechende Pläne reagieren würde. Hier regiert der „Blanke Hans“, wie die Nordsee genannt wird, und nur mit aufwändige Deichbauten hat Nordstrand eine Chance, dem Klimawandel wenigstens eine Zeitlang zu trotzen. Auch derzeit wird der äußere Deich in einigen Abschnitten wieder modernisiert und erhöht.

Es sind manchmal ganz kleine Episoden, die von so einem Urlaub haften bleiben. Da wäre der Zugführer, der sich auf der Rückfahrt von Husum nach Itzehoe mit den Worten „Danke, dass sie noch mit der Bahn gefahren sind“ verabschiedet. Er hat tatsächlich „noch“ gesagt, was einiges über das angekratzte Selbstbewusstsein der Eisenbahner aussagt. Auch die Fahrt im ICE von Hamburg nach Berlin werde ich so schnell nicht vergessen. Denn die Verpackung meiner im Husumer Kutterhafen erstandenen, mit Eiswürfeln gekühlten Krabben erwies sich als unzureichend. Dies stellte sich heraus, als sich ein kleines Rinnsal Krabbenwasser aus meinem Rucksack von der Gepäckablage auf meine Sitznachbarin ergoss. Dankenswerterweise reagierte sie darauf mit Humor und nahezu buddhistischer Gelassenheit – ein sicherlich äußerst seltener Glücksfall, denn wer lässt sich während einer Zugfahrt schon gerne mit fischiger Brühe beträufeln. Später sorgten Rucksack samt Jacke dafür, dass auch die Fahrgäste im Bus, der mich vom Bahnhof nach Hause brachte, sowie die Kunden in dem Supermarkt, in dem ich noch ein paar Einkäufe erledigen musste, ziemlich einfach bestimmen konnten, wo ich gerade herkomme. Nichtsdestotrotz habe ich die Krabben später auf meinem Balkon meditativ gepult und den Schalensud zu einem köstlichen Fonds eingeköchelt, bevor ich mich an die gründliche Reinigung meiner kontaminierten Utensilien machte.

Jetzt bin ich wieder hier – und es ist nicht wirklich schön. Es ist drückend heiß in Berlin und es weht kein Lüftchen. An der Spree ist die Hölle los, die Untertanen dürfen sich die Räumlichkeiten des Kanzleramtes und einiger Ministerien anschauen, und jeder hofft wohl, zu den Seligen zu gehören, die gar einen Händedruck von Mutti oder einem leibhaftigen Minister abgreifen können. Ein paar hundert Meter weiter campieren Flüchtlinge in den Moabiter Grünanlagen, die warten müssen, bis ihnen die nahe gelegene zentrale Aufnahmestelle vielleicht am Montag eine Unterkunft zuweist. Denen schütteln Mutti und ihre Minister bestimmt nicht die Hände.

Ich merke schon, ich bin auch mental wieder hier. Aber die erholsame Woche in Nordfriesland kann mir niemand mehr wegnehmen.

Warum ich kein Geld für Flüchtlinge gespendet habe

An einem eher trüben Tag, der sich mit zähflüssigen Recherchen zur Arbeitszeitdebatte in den Spartengewerkschaften auch recht dröge anließ, kann man positive Überraschungen ganz gut gebrauchen. Wie z.B. ein komplett vergessenes Honorar, das plötzlich auf meinem Konto auftauchte. Keine Summe für lang anhaltende Freudensprünge, aber immerhin genug, mal wieder über eine kleine Spende nachzudenken. Da würde es nahe liegen, die von mir angepeilten 50 Euro der mittlerweile überregional bekannten Initiative „Moabit hilft“ zukommen zu lassen, über die ich bereits berichtet habe. Denn die hat nicht nur dafür gesorgt, dass die skandalösen Zustände vor der für ganz Berlin zuständigen Erstaufnahmestelle für Flüchtlingen in Moabit einer breiten Öffentlichkeit zur Kenntnis gelangen und somit die Verantwortlichen zum Handeln gezwungen wurden. Die vielen ehrennamtlichen Helfer waren auch vor Ort und haben für die verzweifelten, erschöpften Menschen, die anfangs tagelang in der brütenden Hitze auf die Registrierung warten mussten, Essen und Trinken besorgt.

Doch derzeit ist „Moabit hilft“ everybodys darling, und das ist auch gut so. Aber kein Mensch spricht in Deutschland derzeit mehr von der humanitären Katastrophe in Griechenland, die durch die Spardiktate der EU ausgelöst wurde und sich weiter verschärfen wird, Schäuble sei Dank. Fast ein Drittel der Bevölkerung ist dort nicht mehr krankenversichert. Sie erhalten keine Medikamente, werden nicht operiert, die Kindersterblichkeit ist rapide gestiegen. Einige Ärzte haben ehrenamtlich Notfallambulanzen für diese Menschen aufgebaut und brauchen dringend Geld für Medikamente und andere Hilfsmittel

Ich sehe das ganz nüchtern und ohne Vorwurf: Auch die Empörungs- und Empathiewellen verlaufen anhand von Mainstream-Trends, und Griechenland ist da gerade „out“. Ich mag jetzt auch nicht darüber diskutieren, ob Alexis Tsipras die Griechen verraten hat. Ich habe einfach 50 Euro an der Berliner Forum Griechenlandhilfe überwiesen. Und die ersten drei, die mir folgen, bekommen von mir ein handsigniertes Exemplar von meinem 2. Buch („Der kulinarische Notfallkoffer“) zugeschickt. (bitte Nachricht an genussblog@email.de oder eine PN via facebook).

Einfach, billig und genial: Semmelknödel mit Wildschweinsoße.

Ansonsten habe ich jetzt eine weitere Bastion der “gehobenen Hausfrauenküche” im Sturm erobert. Auf den Tisch kommen heute meinen ersten selbst fabrizierten Semmelknödel. Ganz klassisch: Altes Brot, Milch, Eier, Butter, Petersilie, Salz, Pfeffer, Muskat. Als einzige Verfeinerung noch ein paar getrocknete (und natürlich dann aufweichte) Sandpilze aus meinem Garten. Hat auf Anhieb wunderbar geklappt und wird jetzt öfter passieren. Dazu ein eingefrorener Rest Wildschweinsoße und ein Sangiovese aus der Toskana, und man kann mal für einen Moment an was anderes als das allgegenwärtige Elend denken. Schließlich ist Genuss auch eine Form von mentaler Notwehr.

 

 

 

 

 

 

 

Tag des Datschisten (mit Bach und Elbling)

Warum nicht auch in Wandlitz den Tag mal mit einer Bach-Kantate beginnen. Ich hatte mich für „Herr, deine Augen sehen nach dem Glauben” (BWV 102) entschieden. Dazu ein kleines Frühstück auf der Terrasse, und dann ist es Zeit für ein Bad im See, bevor die Tagesausflügler aus Berlin kommen. Doch um halb neun hat man die kleinen Liegewiesen und Badebuchten noch ganz für sich alleine.

Badeidylle am Wandlitzsee, bevor die Massen kommen.

Danach beginnt die Arbeit des Datschisten: Bohnen ernten, Maulwurfshügel abtragen, Weinstöcke anbinden, Rasen mähen, wässern. Seit Wochen hat es hier nicht mehr anständig geregnet, zusammen mit der Hitze ist das eine harte Belastung für die Natur. Dennoch: Fürs Essen ist der Tisch hier reich gedeckt. Kartoffeln und Eier gibt’s beim örtlichen Biohof, mein Beet bietet derzeit Gurken, Tomaten, Bohnen, Kohl und alle erdenklichen Kräuter, um die Ecke wachsen Mirabellen und Wildpflaumen für den Nachtisch. Danach nochmal zum See, denn jetzt sind die Berliner wieder auf dem Heimweg.

Wenn die Sonne untergeht, wird es still, wenn nicht gerade in einem der Ortsteile von Wandlitz eines jener berüchtigten Dorffeste stattfindet. Dann allerdings trägt der Wind alten Ostrock und manchmal gar Helene Fischer auch in mein Idyll. Doch diesmal hab ich Glück gehabt. Um 22,30 hört man nur das Warnsignal der Regionalbahn, die sich dem drei Kilometer entfernten Bahnhof Wandlitzsee nähert, und manchmal fällt auch ein Schuss, der Ausgangspunkt für einen leckeren Reh- oder Wildschweinbraten war. Doch ansonsten nur Rascheln und Zirpen.

Das ist die Zeit für ein gutes, passendes Glas Wein auf der Terrasse, z.B. einen Elbling von Stefan Steinmetz. Natürlich könnte jeder entsprechend konditionierte Weinschreiber so Einiges in diesen Wein rein interpretieren. Ist da nicht ein wenig grüner Apfel? Oder Quitte? Hat er nicht dezente vegetabile Noten und eine Spur Limettenschale im Säureknack? Doch ich halte es da lieber mit dem Winzer. Angesichts des Klimawandels und des Weingeschwätzes sagt er über seinen Elbling: „Das ist ein Wein der Zukunft: Flasche aufmachen, Beine hochlegen, trinken und sich freuen, wie gut es einem geht“. Habe ich genau so probiert. Hat funktioniert.

Hier wird Deutsch gegessen!

Jetzt habe ich den Salat oder genauer gesagt den Kohl. Eine Meisterin der gehobenen Hausfrauenküche hatte im Frühjahr angeregt, auf meinem Wandlitzer Beet auch eine Reihe Spitzkohlsetzlinge zu pflanzen. Gesagt, getan – sie gediehen prächtig und sind jetzt reif.

Frisch aus meinem Wandlitzer Bio-Beet: Deutscher Spitzkohl

Doch was nun? Ich bin zwar in er Lage, Froschschenkel, Großgarnelen, Taschenkrebse, Zebrakeulen, Hamster, Gänsestopfleberterrinen und alle erdenklichen Fische fachgerecht und wohlschmeckend zuzubereiten und genieße auch einen gewissen Ruf in Bezug auf gelbe, grüne und rote Currys, aber so ein urdeutscher Kohl stürzt mich ins Grübeln. Von seinen geschmacklichen Qualitäten konnte ich mich schließlich bei besagter Meisterin der gehobenen Hausfrauenküche überzeugen, doch meine Ehre als ambitionierter Hobbykoch verlangt, selbst Hand anzulegen.

Zwei Varianten habe ich probiert – und dabei echte Bereicherungen meines Repertoires realisiert. Zunächst einen Eintopf: Den fein geschnittenen Kohl in Hühnerbrühe zusammen mit Langkornreis garen und das Ganze mit einer gut verquirlten Eier-Zitronen-Mischung binden. Dazu ein feinherber Riesling von der Saar. Bingo! Ein paar Tage später schließlich geschmorter Spitzkohl mit gebratener Blutwurst und Kartoffeln. Begleitet von einem (ausnahmsweise richtig guten) Trollinger Auch Bingo!

Fazit: Ein Hoch dem regionalen, saisonalen deutschen Kohlgemüse und dabei besonders dem Spitzkohl. Er wird auch im kommenden Jahr einen Ehrenplatz in meinem Beet erhalten. Gibt’s sonst noch was? Nö, es ist einfach zu heiß.

Auch so: Die Bundesliga fängt an und ihr wollt natürlich wissen, wie es ausgehen wird. Wolfsburg wird Meister, vor Bayern und Schalke. Darmstadt, Hertha und der HSVsteigen ab (diesmal wirklich und zwar in der Relegation gegen Freiburg).

Wollen wir wirklich teilen?

Die Hitze macht viele anscheinend „malle im Kopp“ wie der Berliner sagt. Meistens ist das nicht so schlimm. Doch man muss sich schon wundern, wenn ein linientreuer kommunistischer Wissenschaftler in meiner Kiezkneipe einen ausgibt, weil der Fleisch gewordene massenkulturelle Alptraum Helene Fischer ihren Geburtstag hat. Oder wenn in besagter Kneipe an selbigem Tag extrem saure und zähe „Bismarkfilets“ serviert werden, die selbst bei den anwesenden Geschmacksprimaten den Ruf nach der Geschmackspolizei laut werden ließen.

Auch den verholzte Cote du Rhone, den der trotzkistische Bürokrat am Wochenende zum Wandlitzer Grillgelage beisteuerte, kann unter der Rubrik „zu befürchtende Geschmacksverirrung“ verbucht werden. Und dass es auch mit dem nächsten angekündigten Termin für die Eröffnung des neuen Berliner Flughafens (Ende 2017) wohl nichts werden wird, ist eher unter „spezieller Berliner Humor“ einzuordnen.

Überhaupt nicht lustig ist dagegen der hilflose bis menschenverachtende Umgang mit den vielen und stetig mehr werdenden Flüchtlingen, die nach Berlin (und anderswo) kommen. Anscheinend hat niemand einen Plan. Die im linken bis linksradikalen Spektrum gerne verbreitete Losung von den „offenen Grenzen“ und dem „Bleiberecht für Alle“ klingt zwar ausgesprochen weltoffen und humanistisch, ist aber in der Konsequenz das genaue Gegenteil. Darüber mag in diesen Kreisen aber kaum jemand offen reden. Auf der anderen Seite werden liberal verbrämte bis offen reaktionäre Abschottungsmodelle diskutiert, statt erst Mal eine vernünftige Infrastruktur für die Betreuung, Beratung und Unterbringung der Flüchtlinge zu sorgen. Wer beispielsweise angesichts der Verfolgung von Sinti und Roma in diesen Ländern die Idee propagiert, Albanien, das Kosovo und Montenegro pauschal als „sichere Staaten“ einzustufen, ist ein Verbrecher oder hat sie nicht mehr alle. Preisfrage: Was trifft auf Winfried Kretschmann, den grünen Ministerpräsidenten von Baden Württemberg, zu?

Egal wie es genau weiter geht: Die globalen Flüchtlingsströme werden Deutschland und Europa nachhaltig verändern. Zum Jammern gibt es keinen Grund: Deutschland und seine Verbündeten haben diese Flüchtlingsströme mit ihrer Außen- und Wirtschaftspolitik, aber auch durch unsere Konsumgewohnheiten unmittelbar generiert. Jetzt muss ich die Gesellschaft darüber verständigen, wie damit umzugehen ist. Und dabei geht es beileibe nicht um große abstrakte Diskurse sondern um das Wie und Was, hier, heute und konkret. Denn sie sind da und es werden immer mehr. Sie beanspruchen Ressourcen, die wir im Prinzip haben, wenn auch nicht unbegrenzt: Geld, Platz, Arbeit, Ausbildung, medizinische Versorgung, aber auch Immaterielles wie Empathie, Akzeptanz und Perspektive Aber wollen wir wirklich teilen? Und wenn ja, wie viel? Doch diese Fragen hat unsere Mehrheitsgesellschaft bereits im Umgang mit der „autochthonen Armut“ auf ähnlich deprimierende Weise beantwortet, wie beim Umgang mit den „faulen Griechen“.

Es wird sich jedenfalls zuspitzen, weil sich keiner mehr wegducken kann. Und das ist trotz aller Komplexität und allen Unwägbarkeiten auch kein Grund für Panik oder Trübsal, sondern eine riesige Chance für uns alle. In diesem Sinne jetzt erst Mal Schluss mit dem Thema. Auf mich warten schließlich ein Salat und eine Süßspeise aus selbst geernteten Gurken, Tomaten und Zwiebeln bzw. Wildpflaumen. Und später noch ein unverholzter italienischer Rotwein.